„Aufgeben ist für mich keine Option“

Martin Kind und Jürgen Köster

„Wenn ich was mache, dann richtig, denn Verantwortung ist nicht teilbar“, diesem Grundsatz ist der erfolgreiche Unternehmer Martin Kind (78) sein Leben lang treu geblieben. So auch als Gast im Presse Club Hannover.

Sein Themenpaket war komplex. Es berührte das Familienunternehmen Kind, seine Haltung als Unternehmer und natürlich den allgegenwärtigen Fußball-Zweitligisten Hannover 96 mit seiner für große Vereine typischen psychosozialen Gemengelage.

Denn die Fußballwelt ist bekanntermaßen auch zu einem Fluchtort aus dem Alltag für viele Menschen avanciert. Übersteigerte Fankultur trägt längst Züge von Eskapismus. Presseclubchef Jürgen Köster moderierte den spannenden Talk wie immer sehr eloquent.

Hörakustik und Augenoptik sind die Kernbereiche des Unternehmens Kind. Der eingängige  Slogan „Ich hab ein Kind im Ohr“ habe die Erfolgsgeschichte der Marke beflügelt, sagte Kind. Kreiert worden sei der Slogan übrigens von der Agentur Zum Goldenen Hirschen, die heute wieder für Kind arbeitet. Sein Ziel damals wie heute? Erfolgreich sein.

Das Familienunternehmen wird seit längerer Zeit schon von seinem Sohn Alexander Kind (55) geführt. Martin Kind und sein Sohn haben bei der Zusammenarbeit im Betrieb „saubere Spielregeln“, die eingehalten werden. Konflikte gibt es nicht. Mit 650 Geschäften in Deutschland und rund 150 in elf Ländern gehört Kind zu den erfolgreichsten und wachstumsstärksten Unternehmen dieser Branche. Rund 4.000 Mitarbeiter, davon 800 Auszubildende, sind bei Kind beschäftigt.

Beim Thema Hannover 96 sagte Kind gleich vorweg, Aufgeben sei in diesem Konflikt keine Option. Er trage auch Verantwortung für fremdes Geld. „Wenn ich bei 96 rausgehe, dann ist die Marke 96 und Geld vernichtet.“

„Für die Ultras bin ich ihr Feindbild“, sagte Kind. Vertreter der Szene sind im 96-Vorstand, da seien Mehrheiten organisiert worden, aber das sei okay und da gehöre ja auch etwas dazu, so Kind.

Aber nicht nur die Vertreter des Stammvereins sind in Opposition, auch der DFB blickt kritisch auf Hannover 96. Kind hat eine klare Meinung: Die Verbände fühlen sich wie die „Berufspolizei“ des Fußballs. Kind gibt den Verbänden mit auf den Weg: Sie müssten die Märkte weiterentwickeln, das tun sie nicht. Sie benötigten eine neue Denkstruktur – die haben sie nicht, aber das wäre wichtig, sagte Kind.

Die 7. Kammer für Handelssachen am Landgericht Hannover hatte geurteilt, dass der Abberufungsbeschluss der Gesellschafterversammlung der Hannover 96 Management GmbH wegen Verstoßes gegen die im Gesellschaftsvertrag geregelte Kompetenzverteilung nichtig sei. Nur der Aufsichtsrat dieser GmbH, in der die Vereinsspitze und die Kapitalseite je zwei Sitze haben, hat demnach das Recht, den Geschäftsführer abzuberufen. Kind sagte, dass das Unternehmensrecht mit dem Urteil höher einzuordnen sei als das Verbandsrecht mit der 50+1-Regel. (Sie besagt, dass der Stammverein immer die entscheidende Stimme bei der Kapitalseite haben soll)

Öffentlichkeitswirksam war Martin Kind im Juli als Geschäftsführer der Hannover 96 Management GmbH von der Gesellschafterversammlung abberufen worden. Für erklärte Kind-Gegner Balsam für die Seele. Der Verein ist alleiniger Gesellschafter dieser GmbH. Die  Hannover 96 Management GmbH verantwortet maßgeblich das Profigeschäft. Hintergrund: Es gibt einen lange schwelenden Streit bei 96. Die Player: auf der einen Seite die Vertreter des Stammvereins Hannover 96 e.V., auf der anderen die Kapitalseite mit Martin Kind als Mehrheitsgesellschafter der Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co KG. Ihr gehört wiederum die Profifußball KG a. A. zu 100 Prozent.

Bericht: Holger Bahl
Fotos: Joachim Giesel und Karin Lahmann